Interview mit den Vorsitzenden zum KV- & BV-Abschluss

Die beiden Vorsitzenden des Betriebsrats Hilfe in Not, Nina Zechner und Svenja Häfner, waren bei den KV- & BV-Verhandlungen 2023 live dabei.

Was sagen sie zum Abschluss und wie schätzen sie das Ergebnis ein?


Über die schwierigen KV- & BV-Verhandlungen in Zeiten multipler Krisen und den Druck eines guten Ergebnisses in Zeiten der Teuerung.

bra: Liebe Nina, liebe Svenja, ihr wart als Vorsitzende des Betriebsrats Hilfe in Not erstmals bei den Verhandlungen des Caritas-Kollektivvertrags dabei und habt für rund 16.000 Mitarbeiter*innen bundesweit mitverhandelt. Wie können sich die Kolleg*innen die KV-Verhandlungen vorstellen?

Svenja: Meine erste Begegnung mit dem KV-Verhandlungsteam war Ende Juni 2022 bei einem Treffen in Salzburg. Zu diesem Zeitpunkt war schon klar, dass Amela (Anm.: Vorsitzende Betriebsrat Hilfe in Not, dzt. karenziert) in Bildungskarenz gehen und ich ihren Platz im Verhandlungsteam einnehmen werde. Bei den KV-Verhandlungen gilt ja das Motto: nach der KV-Verhandlung ist vor der KV-Verhandlung. Und somit wurden bereits im Laufe des Jahres die Themen und Anliegen in den verschiedenen Betriebsratsgremien der Bundesländer gesammelt. Bei dem schon erwähnten Treffen Anfang Juni, sowie bei einem weiteren Treffen Mitte September wurden in einer gemeinsamen Klausur des KV-Verhandlungsteams die Themen und Anliegen präsentiert, diskutiert und in einem gemeinsamen Forderungskatalog gesammelt.

Von Seiten der GPA und der Geschäftsführung wurden die Termine für die Übergabe der Forderungen und für die Verhandlungstage festgelegt. Im Oktober kam es dann zu der offiziellen Übergabe der Forderungen, bei der das Verhandlungsteam nicht anwesend war. Vor dem ersten Verhandlungstermin Ende November im Kardinal König Haus gab es im Verhandlungsteam noch eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Arbeitergeberinnen-Forderungen.

Bei der ersten Verhandlung im Kardinal König saßen sich die Teams in einer großen Runde gegenüber. Mit einer Handshake- und Vorstellungsrunde wurde die Verhandlung eröffnet. Für den ersten Verhandlungstag gab es einen Zeitplan, mit Mittagspause und angesetztem Ende, der an diesem Tag auch so eingehalten wurde. Ziemlich unbefriedigt gingen wir als Vertreter*innen der Arbeiternehmer*innen aus diesem ersten Verhandlungstag heraus, auch mit dem Gefühl, dass wir wohl noch bis Mitte Dezember verhandeln werden. Umso mehr hat es mich überrascht, dass es dann doch bereits am zweiten Verhandlungstermin – wenn auch recht spät am Abend – zu einer Einigung gekommen ist.

Nina: Vielleicht noch ein paar Worte zu der Zusammensetzung des Verhandlungsteams: Bei den KV-Verhandlungen sind einerseits die Gewerkschaft, vertreten durch Mag. Andreas Laaber (Wirtschaftsbereichs-sekretär) und Michaela Guglberger (Fachsbereichssekretärin) sowie ca. 14 Caritas Betriebsrät*innen aus allen Bundesländern, mit Ausnahme von Tirol und Vorarlberg, als Arbeitnehmer*innen-Vertreter*innen mit dabei. Der Vorsitzende dieses Verhandlungsgremiums ist Stefan Kraker, Vorsitzender Betriebsrat der Caritas Steiermark.

Für die Arbeitgeber*innen-Seite verhandeln ebenfalls ausgewählte Vertreter*innen aus den Caritas Diözesen (in der Regel Manager*innen, Jurist*innen). In Summe sprechen wir hier von ca. 30 Personen, die am Verhandlungstisch Platz nehmen.

Ihr hattet sicherlich eine Vorstellung, wie solche Verhandlungen laufen. Was hat euch überrascht – positiv wie negativ?

Nina: Da ein Forderungspaket gemeinsam erarbeitet wurde, wusste ich schon, was mich inhaltlich erwartet.

Als es während des zweiten Verhandlungstages dann recht rasch zu konkreten Vorschlägen kam, war ich etwas überrascht von den äußerst intensiven Stunden in einem mitunter sehr rasanten Tempo, in denen viel gerechnet, verglichen und argumentiert wurde. Das habe ich schon erwartet, trotzdem war ich von der Geschwindigkeit und Intensität sehr überrascht.

Svenja: Am meisten hat mich überrascht, dass es keine Moderation bei der Verhandlung gegeben hat und noch mehr, dass dies bei KV-Verhandlungen so üblich ist. Somit müssen Wortmeldungen aus dem Verhandlungsteam schon mit einiger Intensität eingebracht werden, um auch gehört zu werden. Und die „stärkeren“ Wortführer*innen setzen den Themenschwerpunkt. Dieses Prozedere empfand ich als ziemlich unbefriedigend und ermüdend.

KV-Verhandlungen zwischen den Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen haben immer etwas Politisches und sind auch in der Öffentlichkeit teils sehr präsent. Diesmal waren die Verhandlungen bei der Sozialwirtschaft (SWÖ) bereits abgeschlossen, als sie bei der Caritas richtig begonnen haben. Hat dieser frühe SWÖ-Abschluss euren Handlungsspielraum eurer Meinung nach eingeschränkt?

Svenja: Der SWÖ-Abschluss hat auf jeden Fall den Rahmen gesetzt, über den wir nicht hinausgegangen sind. Das kann positiv wie negativ gesehen werden. Auf der einen Seite gibt dieser Abschluss eine Mindestforderung vor, über die man zufrieden sein kann oder auch nicht. Auf der anderen Seite ist es wiederum schwer, über diese Vorgabe hinaus Forderungen durchzusetzen.

Dieses Jahr gab es aufgrund der massiven Teuerungen einen großen Druck, einen finanziell guten Abschluss für Kolleg*innen zu erreichen. Was war die größte Herausforderung?

Nina: Verständlicherweise gab es aufgrund der Teuerungen hohe Erwartungen, einen guten Abschluss zu erreichen. Die größte Herausforderung war, die Forderungen im Rahmenrecht gegen einen finanziell guten Abschluss realistisch abzuwägen.

Wie beurteilt ihr das Gesamtergebnis der KV-Verhandlungen?

Nina: Rückblickend betrachtet bin ich mit dem Ergebnis zufrieden. Eine deutliche Lohnerhöhung war aufgrund der wirtschaftlichen Lage für unsere Kolleg*innen notwendig und sehr wichtig. Wie ich schon erwähnt habe, hätte ich mir persönlich mehr Ergebnisse im Rahmenrecht erwartet, um bessere Arbeitsbedingungen für die Kolleg*innen zu schaffen.

Svenja: Diese Frage ist für mich schwer zu beantworten, da ich das erste Mal dabei war und die Verhandlungen persönlich als sehr anstrengend und mühsam empfunden habe. Ich hätte damals auch keine Energie mehr gehabt, um über das letztendliche Ergebnis hinaus weiter zu verhandeln.

Was ist bei den Verhandlungen nicht gelungen, das ihr gerne unbedingt für die Kolleg*innen erreichen wolltet? Forderungen gab es ja durchaus viele…

Nina: Das stimmt, unser Forderungsprogramm war gut gefüllt. Ein großes Anliegen war für uns die Entlohnung des kurzfristigen Einspringens. Hier ist uns eine Vereinbarung gelungen, den Flexibilitätsbonus ab 2024 einzuführen. Außerdem gibt es noch immer die, meiner Meinung nach wenig zufriedene Situation der Störungen im Nachtdienst und das Thema der Arbeitszeitverkürzung, um hier die wichtigsten zu nennen. Zu diesen beiden Themen ist uns leider nichts gelungen.

Svenja: Wie gesagt, an den Rahmen-bedingungen wurde wenig bis gar nicht gearbeitet. Einige Forderungen, wie der Flexibilisierungszuschlag oder Abgeltung der Rufbereitschaft wurden für Wien dann in die BV-Verhand-lungen mitgenommen.

Ich hätte gerne die Angleichung der Abgeltung von Mehrarbeitsstunden für Teilzeitbeschäftigte an die der Vollzeitbeschäftigten (Abgeltung im Verhältnis 1:1,5) erreicht. Nach meinem Empfinden eine unverständliche Ungleichbehandlung. Auch wenn das Gesetz „nur“ eine Abgeltung in Verhältnis 1:1,25 vorgibt und die Caritas „sogar“ 1:1,3 ausbezahlt.

Was antwortet ihr Kolleg*innen, die sich nach den vergangenen Krisenjahren mit Corona, Ukraine-Krieg und Teuerung mehr als eine bloße Abgeltung der Teuerung erhofft haben? Warum war nicht mehr drinnen?

Svenja: Mir ist bewusst geworden, dass es im Vorhinein auch eine Mobilmachung innerhalb der Belegschaft gebraucht hätte, um unseren Forderungen von Beginn an mehr Nachdruck zu verleihen. Da gilt es beim nächsten Mal besser vorbereitet zu sein, realistische und wirklich notwendige Forderungen/Verbesserungen für die Kolleg*innen aktiver zu kommunizieren in gemeinsamer Abstimmung mit anderen Bundesländern.

Wie schaut es aus mit der Arbeitszeitverkürzung bzw. der 35-Stunden-Woche? War dieses Thema bei den Verhandlungen auch präsent bzw. seht ihr da Bewegung?

Nina: Bei den Verhandlungen lag der Fokus ganz stark auf einer deutlichen Lohnerhöhung. Natürlich konnte man die Arbeitszeitverkürzung als Thema im Forderungspapier finden. Sowohl bei der Gewerkschaft als auch bei den Betriebsrät*innen herrscht zum großen Teil Einigkeit, dass es hier weitere Schritte braucht.

Was ist eurer Meinung nach die größte Herausforderung bei der Einführung der 35-Stunden-Woche in der Caritas?

Svenja: Die Mitarbeiter*innen zu überzeugen, dass auch kleine Schritte in diese Richtung, wie die Einführung der 37-Stunden-Woche, wichtig sind, um in absehbarer Zeit dann tatsächlich eine 35-Stunden-Woche zu haben. Leider wird die bisher erreichte Verkürzung durch die Möglichkeit des PRAM wieder unterlaufen. Und eine ehrliche Aussicht, dass es zu Mehreinstellungen und nicht zu einer Arbeitsverdichtung kommen wird.

Nina: Die größte Herausforderungen sind zum Teil ein Umdenken und der Mut zu Veränderung.

Der aktuelle Fachkräftemangel als auch der Arbeitsmarktwandel bzw. der Stellenwert der Arbeit an sich spielt ja eigentlich der Arbeitszeitverkürzung sehr in die Hände. Manche Menschen haben Bedenken bzw. auch Ängste, dass es im Zuge einer Arbeitszeitverkürzung auch zu einer Verdichtung kommen kann und das kann verständlich auch Verunsicherung und Sorgen auslösen. Meiner Meinung nach braucht es hier einen offenen Raum der Kommunikation, des Austausches. Denn Veränderung ist der Motor der Gesellschaft.

Einige Themen sind also offengeblieben bzw. es wurde vereinbart, dass sie über eigene Betriebsvereinbarungen geregelt werden. Welche Neuerungen hält die Betriebsvereinbarung 2023 für Kolleg*innen bereit?

Nina: Ende Februar wurde allen Mitarbeiter*innen, die mit 01.02. bei der Caritas beschäftigt waren, eine steuerfreie Teuerungsprämie in der Höhe von 182,50 (bei Teilzeitbeschäftigten wurde die Prämie im aliquoten Ausmaß berechnet) ausbezahlt.

Für Teilzeitbeschäftigte mit Gleitzeit wurde der Anspruch der 4 – Tage – Woche von 25 auf 30 Wochenstunden erhöht.

Svenja: Des Weiteren gibt es eine Erhöhung der Trennungszulage um 8%. Ab April werden berufliche Fahrten mit dem Fahrrad oder E-Bike auch finanziell abgegolten (0,38 €/km, ab Kilometer 3) und für Personen, die mit dienstlichem Auftrag mitfahren wird ein Kilometergeld von 0,05 € eingeführt. Die Gutscheine für Arbeitnehmer*innen mit Kindern werden im September ausgegeben.

An welchen Themen werdet ihr mit den Betriebsrät*innen im Hinblick auf die nächsten KV-Verhandlungen auf jeden Fall dranbleiben?

Svenja: Ich denke die Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich wird weiterhin ein Thema sein. Und für mich ist eine Abgeltung von Mehrstunden von Teilzeitbeschäftigten im Verhältnis 1:1,5 ein wichtiges Anliegen.

Nina: Auf jeden Fall die Arbeitszeitverkürzung, hier bleiben wir dran! Ein wichtiges Thema sind aber auch die Störungen bei schlafendem Nachdienst, hier braucht es eine finanzielle Verbesserung, da auch die Arbeit stetig belastender wird.

Vielen Dank für euer Engagement, eure Zeit und das Interview!


Die Fragen stellte Peter Sniesko, Mitarbeiter bei youngCaritas, seit 2015 Betriebsrat Hilfe in Not.

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